Bahnstadt Heidelberg

Stellwerk 08

Denkmalfreude von Denkmalfreunden

Das STELLWERK 08 gilt als wichtiges technisches Kulturdenkmal der regionalen Verkehrsgeschichte

- Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg -

Echt abgefahren

Leidenschaft

Auch Heidelberg hat eine bewegte Eisenbahn- und Bahnhofsgeschichte. Und mittendrin steht da das STELLWERK 08, in dem die Eisenbahner von 1914 bis 1998 ihren Dienst am Gleis versahen. 20 Jahre nachdem das Stellwerk stillgelegt wurde, ließ es die Geschäftsführung der DEUTSCHE WOHNWERTE herrichten – sie hatte das Objekt erworben und steckte großen privaten Einsatz in die Restaurierung. Ein zumindest räumlich naheliegendes Unterfangen, weiß doch der Immobilien- und Projektentwickler mit dem COLOURS seinen Firmensitz direkt nebenan. Die Instandsetzung des Stellwerks, die in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz vollzogen wurde, gehorchte der Maxime: so behutsam wie möglich, so durchgreifend wie nötig.

Dass Heidelbergs jüngster Stadtteil mit dem STELLWERK 08 an seinem Südostrand den Namen Bahnstadt trägt, rührt natürlich nicht von ungefähr: Vis-à-vis des modernen Hauptbahnhofs luden hier früher Güterzüge ihre Waren ab. Bereits 1840 war mit der Verbindung zwischen Mannheim und Heidelberg eine der ersten Fernbahnstrecken im Lande überhaupt eingeläutet, drei Jahre später Karlsruhe im Zuge des Ausbaus der Badischen Hauptbahn angebunden worden. Der damalige Haupt- war ein Kopfbahnhof auf Höhe des jetzigen Adenauerplatzes nahe der Altstadt. Dieser wurde 1862 teilweise zu einem Durchgangsbahnhof erweitert, als der erste Abschnitt der Badischen Odenwaldbahn nach Neckargemünd auf die Schiene kam. 1848 war zudem direkt daneben, gleichsinnig angeordnet und architektonisch passend, der Endbahnhof der Main-Neckar-Bahn errichtet worden, deren Züge seit zwei Jahren in Richtung Frankfurt verkehrten.

Schon in den 70er-Jahren des vorvergangenen Jahrhunderts zielten daher – sehr zum Missfallen der ansässigen Hoteliers – erste Überlegungen auf eine Verlegung des Heidelberger Bahnhofs ab, der später auch der städtebaulichen Entwicklung wie dem wachsenden Individualverkehr im Wortsinne im Wege war. 1902 stachen dort die ersten Spaten in den Boden, wo heutzutage die Gleise des Hauptbahnhofs liegen. Doch es dauerte bis zum 5. 5. 1955, bis die Neckarstadt ihren zentralen Verkehrsknotenpunkt offiziell einweihen konnte – das Waffenfeuer der beiden Weltkriege hatte die Arbeiten stets erlöschen lassen. Gleichwohl sind vier Fünftel der Gesamtanlagen zwischen 1926 und 1939 sowie zwischen 1908 und 1914 entstanden.

Im Jahr 1914 ging auch der Rangier- und Güterbahnhof, der zuvor von 1873 an westlich der Römerstraße seinen Platz hatte, im Südwesten des heutigen Hauptbahnhofgeländes in Betrieb. Und damit auch das STELLWERK 08. Seine Hochlage verdankte der Rangierbahnhof dem Erdaushub für den benachbarten Personenbahnhof – vier bis fünf Meter tief herausgeschaufelt aus einem vielleicht drei Kilometer langen und bis zu einem Viertelkilometer breiten Streifen, der im Volksmund für Dekaden als „Baggerloch“ bekannt war. Aus dem Neckartal nutzten die Güterzüge übrigens den 2487 Meter langen Königstuhltunnel, der zwischen 1908 und 1912 durch den Berg getrieben wurde; erst seit Fertigstellung des neuen Hauptbahnhofs sind hier ebenso Personenwaggons unterwegs. Mit dem Ende des Güterbahnhofs hatte schließlich auch 1998 für das STELLWERK 08 die letzte Betriebsstunde geschlagen.

Grundstücksfläche
m Gebäudelänge
Jahre Gesamtbetriebszeit
Monate Restaurierungsarbeiten

Weichen gestellt

Vision

Es ist ein kulturhistorisches Kleinod und geschütztes Denkmal der Technikgeschichte: das STELLWERK 08 in der Bahnstadt Heidelbergs. Erbaut wurde es 1914 im Zuge der damaligen Neuanlage des Rangier- und Güterbahnhofs – unter den Stellwerken seinerzeit ein geläufiges Exemplar bei den Großherzoglich Badischen Staatseisenbahnen. Im verputzten Massivbau des Erdgeschosses über dem Kriechkeller war der Spannwerksraum untergebracht mit den Drahtzugleitungen zu den Signalen und Weichen. Licht fiel durch Rundbogenfenster herein. Das Obergeschoss war als Fachwerkkonstruktion mit gemauerten Gefachen ausgeführt worden und außen mit Holzbohlen verschalt, darüber ein ziegelgedecktes Walmdach mit Fledermausgauben.

Vieles der Originaleinrichtung des STELLWERK 08, das wohl am 27. September 1998 außer Dienst ging, blieb erhalten: so die Hebelbank zum Einstellen von Signalen und Weichen, Fahrstraßenhebel, Gleisfreimeldeanlage und -belegungstafel sowie der Streckenblock-Apparat. Von hier aus wurden die Weichen und Signale im östlichen Teil des Rangierbahnhofs gesteuert, teilweise bis zum Stadtteil Kirchheim. Zusammen mit dem Stellwerk 3 und dem Fahrdienstleiterstellwerk 5, von dem aus der gesamte Rangierbetrieb und Zugverkehr überwacht wurde, hatte es in seinem letzten Betriebsjahr die Aufgabe, Güterzüge über den bereits stillgelegten Rangier- am Hauptbahnhof vorbeizuführen.

Stellwerk 08 Ursprungsgebäude

Auf dem richtigen Gleis

Verantwortung

Drei Fragen an die verantwortliche Architektin Charis Nichtern von metris architekten und stadtplaner

Welchen architektonisch-baulichen Herausforderungen sahen Sie sich gegenüber?

Als technisches Gebäude wurde das Stellwerk für einen bestimmten Zweck konzipiert und entsprechend seiner Nutzung optimiert. Der Wert des Gebäudes begründete sich ausschließlich durch dessen Funktionalität, die sich klar in der Gestaltung spiegelt. Eine der architektonisch-konzeptionellen Herausforderungen war die Überführung der Begabungen des Gebäudes in eine neue Nutzung. Hierbei spielten vor allem Proportion und Ausrichtung eine Rolle. Bei einer Länge von rund 25 Metern ist das Stellwerk nur knapp fünf Meter breit. Die ursprüngliche Orientierung, insbesondere im Obergeschoss, erfolgte nach Norden zum ehemaligen Gleisbett. Während des Entwurfsprozesses war schnell klar, dass eine Änderung der Nutzung, im Fall des Stellwerks zu einem Café, auch einer Anpassung der Ausrichtung bedurfte. Aus einem funktionalen Bauwerk sollte eines mit Aufenthaltsqualität werden. Die Öffnung der Erdgeschossfassade nach Süden ermöglicht die Erweiterung des schmalen Innenraums um eine großzügige Sonnenterrasse und schafft, das Stellwerk im Rücken, eine Ruheoase mit Blick ins Grüne direkt an der lebendigen Promenade der Bahnstadt. Die große Hebeschiebetür-Anlage, die an dieser Stelle den Innen- mit dem Außenraum verbindet, stellte sowohl architektonisch als auch in der baulichen Umsetzung eine weitere Herausforderung dar. Statisch ist eine Öffnung dieser Größe ein nicht zu unterschätzender Eingriff in die Bausubstanz – mittels zweier Stahlbetonstützen wurde eine sehr elegante Lösung zur Aufnahme der anfallenden Lasten gefunden. Ähnliche Feinsinnigkeit war bei der Konzeptionierung des Anbaus gefragt, in dem die benötigten Nebenräume untergebracht wurden. Diese sind bewusst nicht in das Bestandsgebäude integriert, um die besondere Proportion des Innenraums zu erhalten. Eine einheitliche Oberflächengestaltung aller neuen Elemente – wie Anbau und Vordächer – an das bestehende Bauwerk differenzieren zudem klar zwischen Bestand und Neubau.

Welche Aspekte mussten hinsichtlich des Denkmalschutzes beachtet werden?

Im Umgang mit einem Kulturdenkmal wie dem Stellwerk steht vor allem der Erhalt des selbigen im Vordergrund. Dies bedeutet nicht, dass ein Denkmal sich nicht verändern darf. Aber es bedarf eines respektvollen Umgangs mit dem Vorhandenen. Es geht um Wertschätzung – auch der Spuren, die Zeit und Nutzung hinterlassen haben. Es bedeutet, sich auf das Gebäude und seine Geschichte einzulassen und ihm auch in der Erneuerung Raum zu geben, diese zu erzählen. Die Zusammenarbeit mit den Behörden gestaltete sich sehr kooperativ und war sicherlich einer der Gründe dafür, dass die bauliche Umsetzung der Maßnahmen am Stellwerk schlussendlich alle Seiten zufrieden stellen konnte. Dies wurde auch durch die Nominierung für die engere Auswahl beim Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg 2020 des Schwäbischen Heimatbundes noch einmal bestätigt. Mein persönlicher Favorit ist die nördliche Wand des Erdgeschosses, die lediglich eine vorsichtige Befreiung vom Staub erhalten hat, ansonsten jedoch genau so aussieht wie an dem Tag, als wir uns das erste Mal mit der Taschenlampe auf wackeligen Dielen durch das Stellwerk tasteten.

Können Sie den Bauverlauf kurz beleuchten?

Wir begannen, auch aufgrund der Unzugänglichkeit einiger Abschnitte, systematisch alles aus dem Gebäude herauszuholen, was nicht fest damit verbunden war. Jedes Stück wurde betrachtet, hinsichtlich seiner Denkmalrelevanz bewertet, entsprechend markiert und anschließend entweder bis zum Wiedereinbau verwahrt oder entsorgt. Die Holzfenster des Erdgeschosses sowie die Stahlrahmenfenster im Obergeschoss wurden zur Aufarbeitung und Instandsetzung ausgebaut. Im Anschluss daran begannen die Rohbauarbeiten und die statisch relevanten Maßnahmen. Besonders aufwändig war die Einbringung des Fußbodens im Erdgeschoss. Dieser war ursprünglich nicht vorhanden – lediglich ein schmaler Steg ermöglichte die Bewegung entlang der Spannwerksmechanik, deren tiefster Punkt sich gut einen Meter unterhalb befand. Über den Sommer wurde das Dach und die Fassade saniert sowie der Anbau gestellt, eine Holzständerwerkkonstruktion, und die Installation von Elektro- und Energieversorgung vorgenommen. Nachdem im Herbst die Fenster wieder eingebaut und im Obergeschoss aus energetischen Gründen um neue Innenfenster ergänzt wurden, begann der Innenausbau, der im Winter fertiggestellt wurde.

Liebe auf den ersten Blick

Herzblut

Nicht unter die Spannwerkgewichte treten! Das ist immer ein guter Ratschlag und im STELLWERK 08 war das auch ausdrücklich auf einem Schild vermerkt. Doch Sorgen muss sich keiner machen: Spätestens seit aufwändig saniert und ausgebaut wurde, löst sich hier ohne Not keine Schraube mehr. Die vier Geschäftsführer der DEUTSCHE WOHNWERTE – Thomas Dorant, Thomas Esslinger, Bernd Koch und Sylvio Michelitsch – ließen sich sofort von dem schmalen zweistöckigen Zeitzeugen fesseln, der direkt neben dem Firmensitz des Immobilien- und Projektentwicklers in der Heidelberger Bahnstadt vor sich hin kümmerte. Obschon er für Liebe auf den ersten Blick eigentlich nicht hübsch genug anzuschauen war. Aber, so sagen sie: „Dieser Ort bringt eine Magie mit sich. Das hat uns von Beginn an fasziniert.“

2017 kauft das Geschäftsführer-Quartett das mechanische Wärterstellwerk am Rande des ehemaligen Rangier- und Güterbahnhofs, das im Innern wie tags zuvor verlassen wirkte. Und investiert im Folgejahr nicht nur gut eine Million Euro sondern reichlich Freizeit inklusive eigener Muskelkraft in das Gebäude: „Hier ist viel Herzblut und Leidenschaft reingeflossen – ohne wäre es auch nicht gegangen.“

Die besondere Herausforderung bestand darin, möglichst viel des Stellwerk-Charakters zu erhalten und es dennoch schmuck und funktional ins Hier und Heute zu überführen. Was vorzüglich gelungen ist: Ein neuer Boden im Erdgeschoss, eine ausladende Fensterfront und eine Terrasse an der Südwestseite öffneten das Parterre für eine gastronomische Nutzung mit Anrichte als „DO CAFÉ“. Via die durchbrochene Decke ist die mächtige und dominierende Stellwerksmechanik im ersten Stock zu sehen. Dort, im Obergeschoss, wurde außerdem ein eleganter Seminarraum eingerichtet. Die sanitären Anlagen wiederum kamen in einem minimalistisch-schick gehaltenen, kleinen Anbau unter.

Durchweg und in enger Abstimmung wurden dabei die Vorgaben des Denkmalschutzes beachtet, liebevoll und vorsichtig etwa Fenster, Fledermausgauben und Traufkasten instandgesetzt. Die Authentizität der vielen Details, der schroffe Charme der Decke über dem Café, die im Originalzustand belassen wurde, erinnern in jedem Moment an die Geschichte der Eisenbahner, die hier schufteten und Verantwortung trugen. Auf der anderen Seite wurden Technik und Wärmedämmung umfassend modernisiert, um das STELLWERK 08 für eine noch lange Zukunft zu rüsten.

Stellwerk 08 Aufrissplan
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